Grönlandreise Tag 6 (Mittwoch 31. Juli) – Von Myggbukta nach Ittoqqortoormiit

Bis Mitternacht lagen wir immer noch vor Myggbukta. Um kurz vor eins, als wir uns langsam aus der Bucht hinausbewegten, gab es wieder eine schöne Morgensonne mit Nebel vor den Bergen zu sehen.

Es sollte ein Tag des Treibeises und der Fata Morganen werden. Immer wieder erstaunlich, wie die Luftschichten unterschiedlicher Temperatur diese Trugbilder hervorrufen.

Die Enttäuschung

Nach dem Mittag – wir waren an der Einfahrt zum Kong-Olav-Fjord bereits vorbei – wurden die Passagiere per Rundruf aufgefordert, sich für eine wichtige Mitteilung des Kapitäns in der Expedition Lounge einzufinden. Der Kapitän verkündete dort, dass die dänische Seefahrtsbehörde und der grönländische Lotsenverband angeordnet hätten, dass das Schiff die Küstengewässer sofort verlassen müsste, weil der erforderliche Eislotse nicht an Bord wäre. Die Schiffsführung hätte sich nach stundenlangen Verhandlungen mit der Behörde, dem Lotsenverband und der Hauptverwaltung von Hurtigruten entschieden, direkt nach Ittoqqortoormiit zu fahren, da dort die einzige Möglichkeit bestünde, einen Lotsen an Bord zu nehmen. Der Leiter des Expeditionsteams fügte noch hinzu, dass sie bei vorherigen Fahrten durch die grönländischen Gewässer noch nie einen Eislotsen benötigt hätten.

Die Stimmung bei den Passagieren war nach dieser Veranstaltung am Tiefpunkt: Keine Einfahrt in den Franz-Joseph-Fjord oder den Kong-Oscar-Fjord, keine Fahrt zum Waltershausen-Gletscher, kein Besuch von Ella Ø. Und das nicht etwa wegen schlechten Wetters oder der Eisverhältnisse, sondern wegen eines Versagens der Reederei.

Hurtigruten, nach eigener Aussage „weltweit führender Anbieter von Expeditionsreisen“, muss sich laufend über Vorschriften und Änderungen von Vorschriften informieren, so auch darüber, welche Anforderungen an Fahrten durch die grönländischen Gewässer zu erfüllen sind. Für größere Schiffe mit mehr als 250 Passagieren gilt schon seit Anfang 2016 eine Lotsenpflicht in den grönländischen Gewässern (siehe Mandatory pilotage in Greenland bei der Danish Maritime Authority und Order 1697, Safe Navigation for Greenland, zu finden bei der AECO, deren Mitglied auch Hurtigruten ist). Und ein solcher Lotse ist auch mindestens vier Wochen vor der Fahrt anzufordern.

Das Argument „einen Eislotsen haben wir noch nie benötigt“ zählt nicht,
transportiert die MS Roald Amundsen mit rund 500 Passagieren mehr als doppelt so viele wie die bisher in Grönland eingesetzten Expeditionsschiffe von Hurtigruten.

Irgendwie war es schon sehr seltsam, dass Hurtigruten die Seite des grönländischen Lotsenverbands (gps.gl) gesperrt hatte, als ich am Nachmittag im Internet nach den Bestimmungen für die Lotsenpflicht suchte.

Seite des grönländischen Lotsenverbands gps.gl (Greenland Pilot Service) gesperrt

Nachmittag

Die gedämpfte Stimmung war zu spüren, überall stand Grüppchen von Passagieren zusammen, diskutierten und taten ihren Unmut kund. Andere wiederum nahmen es, so schien es, mit Gelassenheit. Auf der weiteren Fahrt wurde das Treibeis stets dichter und auf der Suche nach eisfreien Zonen fuhr die MS Roald Amundsen Schlangenlinien bis sie weitab der Küste eisfreies Wasser fand.

Bordprogramm

Da wir nun einen weiteren, ungeplanten Seetag hatten, stand der Teilnahme am Vortragsprogramm nichts im Wege. Es begann schon früh mit einem Vortrag über den Klimawandel in der Arktis, den der schweizerische Glaziologe Matthias aus dem Expeditionsteam hielt.

Anschließend setzte Henryk mit dem zweiten Teil seines Vortrags über Grönlands Geschichte eine weiteren Höhepunkt – ebenso interessant und kurzweilig wie der erste Teil.

Nachmittags hielt Wayne, der Verantwortliche für das Science Center, an der Explorer Bar auf Deck 10 einen Kurzvortrag über die Eisbären, wobei ich doch etliches Neue erfuhr. Vieles erläuterte er anhand der Unterschiede im Aufbau der Schädel von Eisbär und Grizzlybär, seinem nächsten Verwandten.

Dom, der australische Geologe aus dem Expeditionsteam, erklärte danach auf dem Observationsdeck anhand verschiedener Vulkanaschen, die man sich auch unter dem Mikroskop ansehen konnte, wie der Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 den europäischen Luftverkehr lahmgelegt hatte.

Spät abends fand das tägliche Treffen zum Ablauf des nächsten Tages statt. Hier versuchte der Expeditionsleiter anhand der Satellitenaufnahme des Kong-Olaf-Fjords vom 29. Juli, zu erklären, dass man wegen der Eislage und des Winds sowieso nicht nach Ella Ø hätte fahren können. Das erschien mir allerdings wenig glaubwürdig, ist doch auf den Satellitenaufnahmen für den 30. Juli (Sentinal-1A (ESA) und MODIS-Terra (NASA)) nicht sehr viel Eis in den Fjorden zu erkennen.

Aufgrund der Hektik rund um die kurzfristige Änderung der Route erschien das Programm für den nächsten Tag sehr spät.

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4 Antworten auf „Grönlandreise Tag 6 (Mittwoch 31. Juli) – Von Myggbukta nach Ittoqqortoormiit“

  1. Ich habe fast immer ein Bier (Isbjørn von Mack aus Tromsø) bestellt, das mit 5 € erstaunlich billig für ein norwegisches Schiff war. Einen Cocktail namens Eyjafjallajökull anzubieten, wäre natürlich auch schön, werde ich vorschlagen.

    1. Das würde ich gerne mal gesprochen hören. Ich vermute, man kann sich auch anders verständigen? Gerade gestern lief im Radio ein Bericht, wie das Schiff einer Expedition vom Packeis zermahlen wurde.

    2. Aussprache ist so ähnlich wie “Eyja fjatla jökytl. Wenn du mit der Suchmaschine deines Vertrauens nach “Wie spricht man Eyjafjallajökull aus” suchst, wirst du schnell fündig. Und im Packeis sind wir dankenswerterweise nicht zerrieben worden.

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